SIMONE KESSLER & EDWARD BEIERLE lernten sich 2006 in München kennen und unterstützen sich seitdem regelmäßig gegenseitig bei Projekten. Sie teilen die Freude daran, sich mit poetischen Phänomenen des Alltags auseinanderzusetzen, sie zu erforschen, zu erweitern, in neue Zusammenhänge zu stellen und so auch der Betrachter*in ihre Werke eine andere, erweiterte Sicht auf scheinbar Alltägliches zu ermöglichen. Sie sind der Überzeugung, dass ein Perspektivwechsel auf verschiedenen Ebenen Veränderungen bewirken kann und, im Sinne einer sozialen Plastik, durch das Verschieben von Grenzen gestaltend auf die Gesellschaft wirkt. Diese Gemeinsamkeiten in Arbeitsweise und Überzeugung führte 2019 zu ihrem ersten gemeinsamen Werk.
Female follows form ist eine künstlerische Untersuchung verschiedener Orte im öffentlichen Raum. Die Raumuntersuchung erfolgt durch das Einnehmen ungewöhnlicher Körperhaltungen in direktem Bezug zur Architektur und dem Fotografieren dieser Körper-Raum-Beziehungen. Für die Künstler*innen stellt die Summe der dabei von ihnen gesammelten physischen und emotionalen Erfahrungen den Perspektivwechsel dar.
Auf der Grundlage von female follows form entwickelten Simone Kessler und Edward Beierle für den Architektursommer Hamburg 2019 und das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum das partizipatorische Kunstprojekt FOLLOWER – female follows form.
form follows function
man follows form
I follow form
female follows form
frau folgt form
mann folgt frau
Ausgehend vom berühmten Bauhaus Leitsatz “form follows function” schlagen die beiden Künstler*innen 100 Jahre nach der Gründung des Bauhaus mit ihrem Projekt FOLLOWER – female follows form eine Brücke ins Jetzt und bringen so die Designprinzipien der Moderne ins Instagram-Zeitalter. Die Form folgt der Funktion, die Menschen der Architektur und die Social Media Follower dem entstehenden Foto-Feed.
Inspiriert durch Valie Exports „Körper-konfigurationen“, Erwin Wurms „one-minute-sculptures“ oder auch Willi Dorners „bodies in urban space“, entstand ein künstlerisches Konzept, das nicht mehr die Künstler*innen selbst in den Mittelpunkt stellt, sondern ihre Mitmenschen motivieren möchte, auf spielerische Art eigene (Körper-)Erfahrungen zu machen. Am Kunstwerk Teilnehmende agierten dabei deutlich sichtbar unkonventionell im öffentlichen Raum. Sie wurden für ihr Umfeld anders wahrnehmbar und schafften eine Irritation/Freude für Zusehende.
Das erklärte Ziel von FOLLOWER – female follows form war, den Teilnehmenden, durch deren wortwörtlich neue (Körper-) Haltung im Raum, einen Perspektivwechsel zu Architektur, Stadtraum und auch zueinander zu ermöglichen. Dazu luden neun öffentlich sichtbare “Anleitungen” in Form gehängter Großplakate im Stadtraum Hamburgs für drei Monate zum Mitmachen ein. Darauf zu sehen war jeweils ein Motiv aus der Fotoserie female follows form, das an der gleichen Stelle im Stadtraum entstanden war. Diese Fotos waren mit einer Einladung versehen, sich an dem Projekt zu beteiligen und dem Vor-Bild der Künstler*innen zu folgen.
Auswahlkriterien für die Projektorte waren Besucherfrequenz, städtebauliche Bedeutung, architektonische Qualität und Anzahl fotografischer Motivmöglichkeiten. Plakate hingen in der Plaza der Elbphilharmonie, in den Deichtorhallen, in der HafenCity Universität Hamburg, der Hafencity, vor dem Haus der Patriotischen Gesellschaft von 1765 an der Trostbrücke und in der Marktstraße im Karoviertel. Teilnehmende konnten direkt an den Standorten, aber auch an selbst entdeckten Locations Fotos erstellen und den Künstler*innen in digitaler Form zur Verfügung stellen. Die Bilder der “Follower” wurden auf der eigenen Projektseite www.kesslerbeierle.de in einem Fotofeed gesammelt.
Als Abschluss des Projekts FOLLOWER – female follows form wurden alle eingereichten Fotos und die Fotoserie female follows form in der Galerie 21 im Künstlerhaus Vorwerkstift ausgestellt. Die Projektseite bleibt bestehen und sammelt weiterhin Fotos unter dem Hashtag #femalefollowsform. Dieser Katalog darf auch als Einladung verstanden werden, dem Beispiel der Künstler*innen Simone Kessler und Edward Beierle zu folgen.